Grundbildungspfade
Warum Grundbildungspfade?
6,2 Millionen Menschen in Deutschland können nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben, doch weniger als 1 Prozent nehmen an Bildungsangeboten teil. Dies hat die „LEO-Studie 2018“ herausgefunden, die die Lese- und Schreibkompetenzen der Deutsch sprechenden erwachsenen Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren differenziert nach „Alpha-Levels“ erfasst hat.
Auch die etwas jüngere PIAAC 2023-Studie hat die grundlegenden Kompetenzen Erwachsener, hier in der Altersspanne zwischen 16 und 65 Jahren, in Deutschland im internationalen Vergleich untersucht und formuliert, dass jeder fünfte Erwachsene in Deutschland nur über geringe Lese- und alltagsmathematische Kompetenzen sowie adaptive Problemlösefähigkeiten verfügt.
Beide Studien liefern damit aufschlussreiche Erkenntnisse über den Stand der Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland. Jetzt geht es um die Frage, wie sich Erwachsene mit Grundbildungsbedarf erreichen und zum langfristigen Lernen motivieren lassen. Dies ist ein wichtiges Anliegen der AlphaDekade, denn viele der Betroffenen, die an Lernangeboten teilnehmen, brechen aufgrund fehlender Zugänge zu Anschlussangeboten, Beratung und Förderung ab und fallen in eine Lücke.
Diese Lücken möchten wir schließen, indem wir für gering literalisierte Menschen Lösungen entwickeln, mit denen sie ihre Kompetenzen langfristig erweitern können. Wir möchten Lernwege eröffnen, die an den Lebensrealitäten von Menschen mit Grundbildungsbedarf anschließen und die ihnen im Alltag, im Beruf oder Familienleben weiterhelfen. Durch Maßnahmen, die auf die berufliche Weiterbildung und Qualifizierung ausgerichtet sind, möchten wir dazu beitragen, dass sich für diese Menschen auch auf dem Arbeitsmarkt Türen öffnen.
Mit diesem Ziel werden wir bis 2028 zehn regionale Projekte bei der Entwicklung und Erprobung von Grundbildungspfaden begleiten und unterstützen. Hierzu sollen bereits vorhandene Ressourcen genutzt und Netzwerke auf- und ausgebaut werden. Denn damit Grundbildungspfade gelingen, sind Strukturen und Institutionen notwendig, die koordiniert zusammenarbeiten, Angebote aufeinander abstimmen und gemeinsam an der Entwicklung von Bildungswegen arbeiten.
Ziel ist es auch, die gewonnenen Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, so dass in Zukunft auch in anderen Regionen Grundbildungspfade aufgebaut werden können und möglichst viele Menschen davon profitieren. Wir möchten auch mehr Transparenz über bestehende Angebote, Förderprogramme und -instrumente schaffen, sodass möglichst viele Zugang zu diesen finden.
Wen möchten wir mit den Grundbildungspfaden erreichen?
Die Gruppe der gering literalisierten Erwachsenen ist mit Blick auf Lernvoraussetzungen, Lebenslagen und Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich. Mit dem Ziel, passende Lösungen für unterschiedliche Ausgangssituationen in den Regionen zu entwickeln, gingen die Projekte im Vorfeld folgenden Fragen auf den Grund: Welche Gruppen sind in den jeweiligen Regionen präsent? Auf welche Lern- und Beratungsangebote können diese zugreifen? Und wo bestehen Lücken und Dropoutgefahr?
Auf diese Weise sind Konzepte für Grundbildungspfade entstanden, die sich an folgende Zielgruppen richten: (Langzeit)arbeitssuchende, Auszubildende und Beschäftigte, bei denen das Risiko eines Abbruchs oder des Jobverlusts besteht, junge Erwachsene ohne Schulabschluss/am Übergang zur Arbeitswelt sowie Zugewanderte. Manche richten sich spezifisch an Teilnehmende aus Integrationskursen (z. B. „GrundBildungsBrücken Hamburg“, „Mind the GAP“ und „GrubiTZ“).
Die meisten Pfade haben zum Ziel, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt oder auf eine berufliche Qualifizierung zu erhöhen, z. B. „InfraGru Trier“, „BerKo“ und „NetzWege“. Die Entwicklung von Pfaden, die den Erwerb von Teilqualifikationen ermöglichen, steht bei den drei Projekten „Zukunftswege“, „GrubiKomNRW“ und „AoG-plus-TQ“ im Fokus. Das Projekt „GriPs“ bereitet Teilnehmende auf die Aufnahme einer Beschäftigung in der Pflege vor.
Höher, breiter, integrativer
Die Gesellschaft befindet sich im stetigen Wandel. Technologische, demografische und ökologische Prozesse schreiten immer schneller voran und Arbeitsplätze verändern sich zunehmend. Dies erfordert, dass Mitarbeitende sich an die veränderten Bedingungen anpassen. Dazu gehört, dass sie lernen, kompetent mit digitalen Anwendungen umzugehen und sich Zukunftskompetenzen (Future Skills) wie Selbstmanagement, Anpassungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, kritisches Denken und selbstbestimmtes Handeln aneignen.
Was bedeutet dies für gering literalisierte Menschen?
Für gering literalisierte Menschen kann es eine besondere Hürde sein, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten. Sich in einem Betrieb zu qualifizieren oder beruflich weiterzuentwickeln, ist besonders herausfordernd, wenn z. B. Fachbegriffe, komplexe Arbeitsanweisungen in schriftlicher Form, mathematische Unsicherheiten oder technische Innovationen im Unternehmen Schwierigkeiten bereiten.
Angesichts der Tatsache, dass 47,4 % der gering literalisierten Erwachsenen in Deutschland eine andere Herkunftssprache als Deutsch haben, ist es auch wichtig, Grundbildungsangebote stärker auf die Bedarfe zugewanderter Erwachsener auszurichten.
Daher orientieren sich die Projekte bei der Definition der Zielgruppen an mindestens einer der Leitlinien „höher, breiter, integrativer“. Diese sollen dazu beitragen, dass Angebote, Beratungen und Förderungen besser auf die genannten Veränderungen abgestimmt sind:
Wie sieht ein Grundbildungspfad in der Praxis aus?
Die Grundbildungspfade verbinden unterschiedliche, sich ergänzende Stationen miteinander. Diese können z. B. ein Beratungsgespräch bei einer VHS, den Erwerb eines Sprachzertifikats, berufsbezogene Sprachkurse, die Förderung von Grundkompetenzen oder die Teilnahme an berufsvorbereitenden Maßnahmen umfassen. In den Stationen werden verschiedene Bildungs- und Beschäftigungsträger, Unternehmen sowie kommunale und soziale Einrichtungen eingebunden, wie Jobcenter, Arbeitsagenturen, Volkshochschulen und Handelskammern.
Die Bereitstellung passender Lern- und Beratungsangebote in den verschiedenen Stationen ist für den Erfolg der Pfade maßgeblich. Auch ist es für Menschen mit Grundbildungsbedarf wichtig, zu erfahren, auf welchem Stand sich ihre Kompetenzen befinden, damit sie auf diesen aufbauen und sich weiterentwickeln können.
Stand 25.05.2021. vgl. https://www.alphadekade.de/SharedDocs/Downloads/DE/weitere_dokumente/arbeitsprogramm_alphadekade.html?templateQueryString=arbeitsprogramm
[2] ↑Förderkennzeichen 2103A+B+CGBP