Aufsuchende Bildungsarbeit als Zugang zur Zielgruppe

Teil 1: Interview mit Netzwege

Wenn es um die Förderung von Menschen mit Grundbildungsbedarf geht, liegt eine besondere Schwierigkeit darin, diese gezielt anzusprechen und für die Teilnahme an Lernangeboten zu motivieren, eine Aufgabe, die auch in den geförderten Projekten von GrundbildungsPFADE eine zentrale Rolle spielt.

Das folgende Interview ist Teil einer Serie, die zeigt, wie die Projekte Netzwege und Berko bei der Teilnehmendengewinnung und Bedarfserschließung für ihre Grundbildungspfade vorgehen. Die Projekte berichten über Vorgehensweisen, Ansprachestrategien, spezifische Zugänge zu ihren Zielgruppen sowie Praktiken für die Bedarfsermittlung, und geben damit praktische Einblicke in sozialraumorientierte, aufsuchende und arbeitsorientierte Ansätze. Im dritten Teil der Serie berichtet Dr. Johannes Bonnes, wie das Kompetenzzentrum die praktische Arbeit der geförderten Projekte begleitet und unterstützt.


Praktische Einblicke in die Projektarbeit von Netzwege

In dem Verbundprojekt Netzwege entwickeln und erproben Arbeit und Leben Hessen, das Bildungswerk der hessischen Wirtschaft und involas – Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkts- und Sozialpolitik GmbH, gemeinsam Grundbildungspfade. In dem folgenden Interview wird aus dem Teilprojekt Offenbach berichtet, das sich an die Zielgruppe Mütter mit Deutsch als Zweitsprache und Grundbildungsbedarf richtet.

Wie gehen Sie bei der Teilnehmendengewinnung für ihr Projekt vor?

Im 1. Schritt haben wir zunächst Gespräche mit dem Grundbildungszentrum (GBZ) und der VHS Offenbach geführt, um den Ist-Zustand der Angebote für die Zielgruppe aber auch über die Zielgruppe (wie viele Teilnehmende tauchen auf, wann und wo) abzufragen und eine Akteursanalyse für die ganze Kommune zu machen: Wer beschäftigt sich mit unserer Zielgruppe, wer könnte relevant sein, wo finden Angebote für die Zielgruppe statt? Im 2. Schritt haben wir Gespräche mit der Zielgruppe geführt, die schon in der VHS und im GBZ angedockt sind: Was braucht ihr, um lernen zu können, wo lernt ihr noch? Was möchtet ihr noch lernen?

Parallel dazu wurden Interviews mit allen relevanten Trägern in Offenbach geführt, die in der Akteursanalyse genannt wurden. Dadurch werden weitere wichtige Akteure im Netzwerk offenbar. Fragen erfolgten immer zu den bestehenden Angeboten und was es noch brauchen würde, um die Zielgruppe passgenau unterstützen zu können. Wo taucht die Zielgruppe auf und wie wird sie weiterverwiesen?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, bei relevanten Netzwerken und Veranstaltungen in Erscheinung zu treten, um Zugänge zu potentiell relevanten Akteuren zu bekommen sowie ein langsames Herantasten an die Zielgruppe, mit ihren Bedarfen: Wo sind Momente der Lernmotivation (z. B. Einschulung des Kindes), wo hält die Zielgruppe sich auf, was motiviert sie, in den Grundbildungspfad einzusteigen?

Gibt es besondere Ansprachestrategien bzw. spezifische Praktiken oder Zugänge zu der Zielgruppe (Mütter mit Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache)? Welche Rolle spielen sozialraumorientierte und aufsuchende Ansätze?

Als Einstieg in den Grundbildungspfad ist ein Pilotprojekt geplant. Es erfolgt eine persönliche Ansprache in den Kitas durch uns und durch die pädagogischen Fachkräfte. Elternmentor*innen Offenbachs wirken als Multiplikator*innen und besonders Kinder sind eine gute Motivation, um zu lernen. Aus diesem Grund erfolgt die Ansprache in Kitas und auch Schulen.

Aufsuchende Bildungsarbeit wird als essenziell angesehen, und dass man niedrigschwellig ansetzt: Zeitmangel und Kinderbetreuung sind relevante hemmende Faktoren. Deswegen müssen die Angebote mit Kinderbetreuung geplant werden und/oder zu Zeiten der Kinderbetreuung ansetzen: Orte müssen leicht erreichbar sein, ohne sich rechtfertigen zu müssen und zu Fuß erreichbar.

Wie erheben Sie den Lernbedarf Ihrer Zielgruppen?

Wir arbeiten partizipativ und fragen die Zielgruppe direkt nach ihren Lernbedarfen und ihren Wünschen für passgenaue Lernformate. Ein steter Austausch mit der Zielgruppe ist geplant und wir fragen auch in bspw. den Kitas nach, wie sie den Lernbedarf einschätzen.

Auch bei unseren Gesprächen mit den Institutionen (Jugendamt, Jobcenter, etc.) erkundigen wir uns, was von den Müttern, mit denen sie zusammenarbeiten, nachgefragt wird, was die Mütter brauchen und was sie erreichen möchten: Ausbildung, Schulabschluss, Deutschkurs, etc. Hieraus ergibt sich auch ein Lernbedarf.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Teilnehmendengewinnung und wie gehen Sie damit um?

Das Erreichen der Personen, die nie erreicht werden, weil sie z. B. kaum das Haus verlassen. Eine weitere wesentliche Herausforderung sind schlechte Erfahrungen mit Lernen, Bürokratie und Institutionen bei der Zielgruppe. Und auch eine hohe Belastung durch vielfältige Probleme (Schulden, Armut, gefährdeter Aufenthalt, partnerschaftliche Gewalt, beengter oder bedrohter Wohnraum, prekäre Anstellungsverhältnisse, Herausforderungen durch Bürokratie…) erschwert oder verunmöglicht das Lernen. Auch der Mangel an Kinderbetreuung oder wenn Beratungsangebote nicht niedrigschwellig genug sind, wenn die Zielgruppe verschlossene Türen vorfindet, Gebäude schlecht auffindbar sind, weit entfernt, nicht bekannt, etc. Schwierig ist es auch, wenn keine passenden Angeboten vorhanden sind – wenn die Kinderbetreuung nicht mitgedacht wird oder es kein passendes Niveau des Deutschkurses oder gar keinen Deutschkurs gibt.

Aufsuchende Bildungsarbeit wird als essenziell angesehen, und dass man niedrigschwellig ansetzt.

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